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Lebensmittel aus Müllcontainern

Containern: Essen aus dem Müll retten

Mülltauchen, Containern, Mistkübeln, Dumpstern: Das Mitnehmen weggeworfener, aber noch verzehrbarer Lebensmittel aus Abfallcontainern, wie zum Beispiel Tomaten mit Dellen, Äpfeln mit braunen Flecken oder abgelaufene Produkte, hat viele Namen. Was darf man (nicht) und was kann man sonst tun, um Lebensmittel zu retten?

Junger Mann durchsucht Mülltonne (Bild: galgoczygabriel / fotolia.com)
Bild: galgoczygabriel / fotolia.com

Das Wichtigste in Kürze

  • Menschen, die "containern", sind vor allem Aktivist:innen sowie Personen mit geringem oder keinem Einkommen.
  • Containern ist in Deutschland strafbar – was politisch sehr umstritten ist.
  • Sowohl der Handel als auch Käufer:innen haben durchaus Möglichkeiten, an der Situation einiges zu ändern.

Was ist Containern überhaupt und wer macht das?

Containern bedeutet, weggeworfene aber noch essbare Lebensmittel aus Müllcontainern rauszusuchen, um sie selber zu essen. Dabei geht es nicht um den Privatmüll einzelner Menschen, sondern um die Müllcontainer von Lebensmittelhändlern, Supermärkten, Discounter und anderen Unternehmen.


Aktivist:innen wollen mit solchen Aktionen auf unseren Umgang mit Lebensmitteln aufmerksam machen: Denn allein in Deutschland landen jedes Jahr ca. 11 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Der Handel bzw. die Gastronomie sind für knapp 1 bzw. 2 Tonnen verantwortlich – und viele dieser Produkte könnten noch einwandfrei gegessen werden.


Es gibt aber auch viele Bedürftige, die Essen aus dem Müll holen, weil sie sich den Kauf nicht leisten können. Zwar gibt es Organisationen wie die "Tafeln", bei denen Menschen mit geringem Einkommen von Lebensmittelhändlern, Supermärkten, Discountern oder Bäckereien gespendeten Lebensmittel bekommen können – doch nicht jede/r will oder kann diese Einrichtungen nutzen. Denn das Angebot reicht beim weiten nicht: Allein in 2022 hat sich die Zahl der Menschen, die eine Tafel besuchen, um 50 Prozent erhöht. Es gab nie so viele Bedürftige wie zurzeit.


Wie die Händler reagieren

Viele Supermärkte und Discounter versuchen, das Containern zu verhindern: Bei aussortierten Lebensmitteln werden die Verpackungen aufgerissen, der Müll wird sorgsam durchmischt oder die Container hinter Zäunen und mit Schlössern gesichert. Die Händler wollen natürlich, dass die Menschen bei ihnen die Produkte kaufen, anstatt sie aus dem Müll zu holen, ohne dafür zu bezahlen. Und wenn doch einmal ein verdorbenes Lebensmittel verzehrt würde, wäre der Händler für die Gesundheitsfolgen mithaftbar, da er den Zugang zum Container nicht gesichert hat. Denn es werden ja nicht nur unschöne Lebensmittel weggeworfen, sondern auch verdorbene Produkte.


Warum Containern strafbar ist

Abfallcontainer stehen normalerweise auf privaten Grundstücken von Lebensmittelhändlern, Gastronomiebetrieben oder Supermärkten. Die Stadt oder private Betriebe kümmern sich darum, die Inhalte der Container zu entsorgen. Nach dem Abfallrecht gehören die Inhalte der Container bis zu ihrem Abholen dem so genannten Wegwerfer beziehungsweise dem Grundstückeigentümer. Wer in Deutschland etwas aus Abfallcontainern herausfischt, muss mit einer Anzeige rechnen:

  • Man begeht Diebstahl und Unterschlagung.
  • Man begeht Hausfriedensbruch durch das Betreten des Geländes, auf dem der Container steht – weil das Grundstück normalerweise dem Supermarkt bzw. dem Discounter gehört.
  • Unter Umständen kann auch Sachbeschädigung noch dazukommen, wenn zum Beispiel ein Schloss oder Tür aufgebrochen wird, um auf ein Gelände zu gelangen oder einen Container zu öffnen.

Containern legalisieren: Warum sind die Vorstöße bis jetzt gescheitert?

Viele Menschen fragen sich, warum das Mitnehmen von weggeworfenen Lebensmitteln strafbar sein soll: Wer sie entsorgt, braucht oder will sie offenbar nicht mehr; und wer sie mitnimmt, kann sie gut gebrauchen. Im Mai 2019 forderte Hamburgs Justizsenator Containern zu legalisieren. Und Ende 2020 stellte die Bundestagfraktion Die Linke einen Antrag um das Containern zu entkriminalisieren – doch beide Initiativen scheiterten. Einige der Gründe für das Nein: Das Containern wird als menschenunwürdig und hygienisch problematisch gesehen, und die Frage, wer haftet, falls jemand verdorbene Lebensmittel aus Containern isst und krank wird, ist dann im Einzelfall zu klären. Containern bleibt also strafbar. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht 2020 bestätigt, nachdem zwei Studentinnen Beschwerde eingelegt hatten. Anfang 2023 haben Bundesjustizminister Buschmann und Landwirtschaftsminister Özdemir die Strafbefreiung von Containern erneut vorgeschlagen. Der Vorschlag sieht vor, die Mitnahme von Lebensmitteln straffrei zu stellen. Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung wären jedoch weiterhin unter Strafe gestellt – also ein Vorschlag, der letztlich wenig hilft. Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels lehnt ihn ab. Sollte der Vorstoß doch eine Mehrheit finden, werden wohl viele Händler ihre Container noch besser sichern oder gar auf Presscontainer setzen, so dass ein Zugang zu den entsorgten Lebensmitteln damit ausgeschlossen wird.



Lebensmittel retten, aber wie?

Hier sind zunächst mal Politik und der Handel gefragt. Wir als Verbraucherzentrale finden:

  • Die von Supermärkten entsorgten Lebensmittel stehen am Ende der Kette: Viel sinnvoller wäre es, die Lebensmittelabfälle würden gar nicht erst entstehen. Der Handel sollte Lebensmittel rechtzeitig spenden und die Tafeln und ähnliche Einrichtungen so gut wie möglich stärken.
  • Geschäfte sollten viel öfter Lebensmittel preisreduziert anbieten, die kurz vor Ablauf des MHD stehen. Allerdings nicht wie bisher immer üblich in einem schmuddeligen Sammelkarton, sondern als ein Beitrag gegen Lebensmittelverschwendung und für Nachhaltigkeit!
  • Zudem sind die Qualitätsanforderungen des Handels sehr hoch: eine nicht ganz gerade gewachsene Möhre oder Äpfel mit Flecken schaffen es nicht einmal in die meisten Geschäfte, weil der Handel möglichst nur Ware der Klasse I verkaufen möchte und alles andere bereits nach der Ernte aussortiert oder gar auf dem Feld umgepflügt wird. Ein erster Ansatz wäre auch, Lebensmittel mit kleinen Fehlern in die Obst- und Gemüseabteilungen zu bringen. Noch besser wäre es, naturnahe Sortierungen als das "normale Neu" anzubieten.

Aber auch jede/r von uns kann etwas tun, um Lebensmittel legal zu retten! Dazu geben wir viele Informationen und Tipps: Rund um Lebensmittelverschwendung, darüber, wie man Lebensmittel richtig lagert und sie länger frisch hält, und darüber, welche Initiativen gegen Lebensmittelverschwendung es in NRW gibt, bei denen man mitmachen kann.


(c4u)

Der Text dieses Beitrags steht unter Creative-Commons-Lizenz: Was bedeutet das?

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2 Kommentar(e)

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  • Grittner

    Kommentar zu: Protest gegen Konsumterror

    Juristisch mag das stimmen - aber ein Umdenken tut Not; Schluss mit der Wegwerfgesellschaft in Deutschland.
    In Frankreich etwa sind Supermärkte mit einer Fläche von mehr als 400 Quadratmetern seit 2016 per Gesetz verpflichtet, eine Partnerschaft mit einer Hilfsorganisation abzuschließen, die unverkaufte Lebensmittel abnimmt. Seit diesem Jahr gilt dieses Gesetz (Loi Garot) auch für Großkantinen und die Lebensmittelindustrie. Damit ist Frankreich Pionier einer Gesetzgebung gegen Lebensmittelverschwendung.(www.welt.de und www.badische-zeitung.de)
    Wenn das Thema gesetzlich neu geregelt würde, kann es nicht mehr zu negativen Nebeneffekten kommen (z.B. Verletzungen beim Containern, gesundheitliche Schäden durch verdorbene Lebensmittel).
    Es braucht nicht viel, um viel gegen Verschwendung zu tun!

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  • Daniel

    Tafel

    Das es die Tafel gibt ist ja schön und gut. Trotzdem ist wie zb bei mir in der Stadt Herne die Tafel so voll mit Mitgliedern und bekommt nicht die gebrauchte Menge das diese seit 2 Jahren schon keine neue Mitglieder aufnimmt. Somit bekommen trotzdem viele Bürger kein Essen von der Tafel

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