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Probleme in der Euro-Zone einfach erklärt: Die "Übersetzung"

Wir befinden uns am Silvesterabend 1998/1999. Eine Gruppe von 16 Leuten (Euro-Zone) beschließt, gemeinsam einen unbekannten Fluss (die gemeinsame Währung: der Euro) zu überqueren. Alle versprechen hoch und heilig, gemeinsam eine stabile Brücke (Maastricht Kriterien, Staatsschulden in den Griff bekommen, Finanzmärkte regulieren) über diesen Fluss zu bauen, damit der Übergang sicher ist. Einige wenige besorgen schon einmal Material für die Brücke (Einhaltung der Maastricht-Kriterien). Viele äußern ihr Bedauern, heute noch nicht mithelfen zu können (Defizit-Sünder), wollen aber ab dem nächsten Jahr mithelfen. Mit etwas Verspätung stößt noch eine weitere Person (Griechenland) zur Gruppe dazu...



Mehr als zehn Jahre später ist die stabile Brücke bei weitem noch nicht fertig. Eigentlich stehen nur ein paar Pfeiler (Schuldenstand der Euro-Zone hat sich in dieser Zeit verdoppelt). Nun muss die Gruppe (Euro-Zone) zu Fuß bei einem Unwetter (Griechenlandkrise) durch den Fluss. Dabei ist sie verschiedenen Strömungen (Vertrauen fehlt, nationale Interessen, Euro unter Druck, usw.) ausgesetzt, von denen niemand wirklich weiß, wie stark sie sind. Jetzt überlegt die Gruppe (Euro-Zone), welche Hilfsmittel sie einsetzen können, um den Fluss trocken zu überqueren. Sie wollen auf keinen Fall nasse Füße (Staatspleiten) bekommen. Schlimm wäre es, wenn einzelne Leute von den Strömungen weggerissen werden (Austritt aus der Euro-Zone) oder es sogar die ganze Gruppe erwischt (Ende der Euro-Zone). Da die Leute aneinander gekettet sind (gemeinsame Währung), ist es umso problematischer, falls einer von ihnen (Griechenland) von den Strömungen weggerissen wird - schließlich könnten die direkten Nachbarn in der Kette (Italien, Portugal, Spanien) auch den Halt verlieren.


Nach vielen Diskussionen einigt sich die Gruppe (Euro-Zone) auf folgende Maßnahmen: Jemand geht freiwillig vor und nimmt es in Kauf, etwas nass zu werden (freiwilliger Schuldenschnitt bei Griechenland). Die ganze Gruppe (Euro-Zone) zieht Gummistiefel (Rettungsschirme ESFS) an. Vorher wurde lange diskutiert, wie hoch die Gummistiefel (440 Milliarden, Hebel in Billionenhöhe) sein sollen. Dazu packen alle trockene Ersatzkleidung (höhere Kapitalausstattung der Banken) ein, damit Folgen abgemildert werden können. Natürlich versprechen alle hoch und heilig, jetzt doch noch mit Verspätung an der stabilen und sicheren Brücke zu bauen. Insbesondere die beiden Größten und Stärksten (Deutschland und Frankreich) bestehen darauf, woraufhin andere anfangen zu murren.


Schon nach den ersten Metern stellen die Mitglieder fest, dass die Gummistiefel (bisheriger Rettungsschirm EFSF) einfach nicht hoch genug sind. Ein weiteres Mitglied ist schon nass geworden (nach Griechenland jetzt auch Spanien), weitere (beispielsweise Italien) könnten ganz kurz davor stehen. Jetzt machen sich alle Gedanken über Alternativen: Einige sagen, dass man Watthosen (Rettungsschirm ESM, Banklizenz) anziehen sollte, um das Problem zu lösen, auf dem Weg zum anderen Ufer nicht nass zu werden. Hier muss aber erst geklärt werden, ob man das überhaupt darf (beispielsweise die anstehende Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts). Andere sagen, dass der Größte und Stärkste (Deutschland) die anderen Mitglieder ans gegenüberliegende Ufer tragen soll. Oder zumindest die, die zu klein sind (hohe Zinsen am Kapitalmarkt zahlen müssen). Der Größte uns Stärkste (Deutschland) protestiert heftig und sagt, dass er das nie und nimmer schafft, weil so stark auch wieder nicht ist - und weil so ein Vorgehen auch nicht richtig wäre. Vereinzelt hört man sogar Stimmen, dass man die Überquerung abbrechen solle, weil es in der jetzigen Form keinen Sinn hat (Ende der bisherigen Euro-Zone, stellenweise Rückkehr zu nationalen Währungen). Die Mehrheit will aber weiterhin gemeinsam ans andere Ufer (die bisherige Euro-Zone beibehalten).


Momentan stehen die Mitglieder immer noch im Fluss, diskutieren und weisen sich gegenseitig die Schuld für die vertrackte Lage zu. Und schauen erst mal, ob sie im September (Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts) die Gummistiefel (bisherige Rettungsschirme) gegen Watthosen (Rettungsschrim ESM, Banklizenz) tauschen dürfen.


Was weiter passieren wird, weiß im Vorfeld niemand. Schließlich kann keiner so genau sagen, wie tief der Fluss ist, wie stark die Strömung ist und ob alle die Hilfsmittel wirklich ernst nehmen (Wird freiwillig verzichtet? Tragen alle Länder ihren Anteil am Rettungsschirm? Werden die Banken zu einer höheren Kapitalausstattung verpflichtet? Werden Sparmaßnahmen umgesetzt?). Es gibt zwei Möglichkeiten, wie die Flussdurchquerung ausgeht:


  • Positive Variante: Die Hilfsmittel erweisen sich letztlich doch als ausreichend. Es werden keine weiteren Mitglieder nass (keine Schuldenschnitte, keine Staatspleiten) und die, die schon nass geworden sind, erholen sich gesundheitlich wieder (bringen den eigenen Staatshaushalt in Ordnung, beschaffen sich aus eigener Kraft finanzielle Mittel am Kapitalmarkt). Die Gruppe könnte jetzt an den Bau der stabilen Brücke gehen.
  • Negative Variante: Die Hilfsmittel reichen nicht aus. Die Gruppe schafft es nicht, wie erhofft am anderen Ufer anzukommen (Euro-Zone in der bisherigen Form beizubehalten). Einige Mitglieder werden durch die Nässe (Schuldenschnitt/Staatspleite) möglicherweise so krank, dass andere Menschen mit diesem Teil der Gruppe erst wieder etwas zu tun haben wollen (Vertrauen schenken), wenn diese wieder dauerhaft gesund (dauerhafte Staatssanierung) sind. Im schlimmsten Fall werden alle Mitglieder der Gruppe von den Strömungen weggerissen (Ende der Euro-Zone).

Wenn die Flussdurchquerung am Ende gut ausgeht, haben die gewählten Hilfsmittel ihren Zweck erfüllt. Ob sie wirklich die beste Lösung waren, ist eine andere Frage. Geht die Flussüberquerung nicht gut aus, haben die Hilfsmittel allerdings nicht nur ihren Zweck nicht erfüllt, sondern schaffen zusätzliche Probleme. Wenn Gummistiefel voll laufen (Rettungsschirm EFSF wird in Anspruch genommen und erhöht die Staatsschulden in den einzelnen Ländern) wird das Bewegen schwerer (höherer Schuldenstand). Läuft das Wasser gar in Watthosen (Rettungsschirm ESM, Banklizenz) ist es sogar fraglich, wie man sich dann überhaupt noch bewegen soll.


Wie wahrscheinlich das Eintreten der positiven oder der negativen Variante ist, kann heute keiner sicher sagen.


(C4U)

Der Text dieses Beitrags steht unter Creative-Commons-Lizenz: Was bedeutet das?

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